Abed lernt Deutsch im Café Zenja
Es ist noch früh, das Café Zenja öffnet in einer Stunde. Hier treffe ich Abdul Basir Almelhem, von allen nur Abed genannt. Der 29-jährige Syrer arbeitet ehrenamtlich seit Dezember 2016 Jahr im Café Zenja. „Damit ich Deutsch lernen kann und beschäftigt bin“, sagt er und lächelt.
Ich begrüße ihn auf arabisch und er hebt den Daumen, so wie er es immer macht, wenn ich ein Wort richtig ausgesprochen habe. Abed spricht schon ganz gut Deutsch, manchmal muss er etwas überlegen, um das richtige Wort zu finden. Er versteht alles, was ich sage und in Kürze hat er seine erste Deutschprüfung bei der VHS in München. Mit diesem Test sollen Flüchtlinge ihren Alltag in Deutschland bewältigen. Ich finde, das macht er bereits ziemlich gut.
Heimat liegt in Trümmern
Wir setzen uns an einen Tisch nahe am Fenster. Abed lächelt wieder und sagt: „Das ist eine sehr lange Geschichte“.
Sie beginnt in seiner Heimatstadt Homs, im Westen Syriens, im fruchtbaren Tal des Nahr-al-Asi. Vor dem Krieg war Homs die drittgrößte Stadt des Landes und galt als Protesthochburg. 2011 und 2012 wurde die Stadt Ziel zahlreicher Angriffe der syrischen Armee. Heute liegt Homs in Trümmern (Video).
Die lange Reise nach Deutschland
Zusammen mit 15 anderen Flüchtlingen, darunter einem Kind, fährt Abed im Januar 2016 in einem Schlauchboot über das Meer zur Insel Chios in Griechenland. Müde und erschöpft werden sie dort von Flüchtlingshelfern in Empfang genommen. Das ist die erste Begegnung mit Maureen, Mitarbeiterin des Café Zenja.
Maureen ist damals als Helferin der Organisation German Alliance for Civilian Assistance auf der Insel. Sie arbeitet in der Road Kitchen der Organisation, verteilt warmes Essen und hilft auch sonst, wo sie kann. Fast täglich kommen in dieser Zeit bis zu 2.500 Flüchtlinge auf der kleinen Insel an. Zum Kennenlernen bleibt nicht viel Zeit, Abed wird zwei Tage später mit einem der zahlreichen Busse nach Athen gebracht. Die beiden bleiben aber über Facebook in Kontakt.

Maureen verteilt Essen an die Flüchtlinge in Chios. Foto: German Alliance for Civilian Assistance

Abed mit Maureen (rechts) und zwei weiteren Flüchtlingshelfern
Gefangenschaft im Sudan
Abed verlässt bereits 2010 nach einem zweijährigen Studium seine Heimatstadt. Er arbeitet in Ägypten und später im Libanon. 2015 besucht er seinen Bruder im Sudan – er soll ihm in einer privaten Angelegenheit helfen. Nach zwei Tagen wird er verhaftet und ins Gefängnis gebracht. Als ich Abed frage, warum er in Gefangenschaft war, antwortet er: „Weil ich bin Syrer. Ein General hat mir das gesagt.“ Nach sieben Monaten unter katastrophalen Bedingungen in Haft kann sich Abed freikaufen, um dann in die Türkei zu fliegen. Dort beginnt seine lange Reise nach Deutschland.
Von Athen aus geht es im Bus oder zu Fuß weiter nach Mazedonien, Serbien, Kroatien und Slowenien, immer begleitet von der Polizei. Das Rote Kreuz versorgt hunderte Flüchtlinge mit Kleidung, einem Schlafsack und warmer Suppe, denn es ist kalt in diesem Winter. „Jeden Tag ein neues Land. Aber ohne schlafen. Nur im Sitzen“, erzählt Abed. Es gibt keine Duschen und keine Toiletten, nur die Straße. In Österreich wird die Stimmung endlich besser. „Gute, nette Leute in Österreich“, so Abed und lächelt wieder.
Brand im Flüchtlingsheim
Nächste Station ist Rosenheim. Der 645 Kilometer lange Grenzabschnitt zwischen Bodensee und Ostbayern wird von der Bundespolizei streng überwacht. Hier treffen sich die Fluchtrouten über den Balkan und den Brenner. Fast täglich treffen 2000 neue Flüchtlinge ein. Im Auffanglager müssen die Asylsuchenden ihr weniges Hab und Gut abgeben, sich nackt ausziehen und etliche Kontrollen über sich ergehen lassen.
Am nächsten Tag wird Abed in einen Zug nach München gesteckt. „Ich wusste nicht, was ich machen sollte. Ich war fünf Stunden im Hauptbahnhof. Ich habe Leute gefragt, aber ich habe kein Deutsch verstanden“. Irgendwann trifft er einen jungen Araber, der ihn anspricht und ihm hilft. Er nimmt ihn mit in eine Flüchlingsunterkunft. Einen Tag später gibt es in dem Heim einen verheerenden Brand. Was Abed noch besitzt, geht im Feuer verloren. Er kommt für kurze Zeit in einem Lager im Olympiapark unter, dann geht es wieder weiter.
Insgesamt wird er noch vier weitere Flüchtlingsheime in Bayern kennen lernen, bevor er dann in Geltendorf ein neues Zuhause findet. Dort wird er von Angelika, die sich in einem Helferkreis engagiert, betreut.
Neuanfang im Café Zenja
Im Herbst 2016 gibt es ein Wiedersehen mit Maureen. Über Facebook erfährt Abed, dass Maureen in München an einer Demonstration gegen den Syrienkrieg teilnimmt. Er geht hin und findet sie. Die Freude bei beiden ist groß.

Maureen, Abed und Leonie vom Café Zenja
Wenige Wochen später stellt Maureen den Syrer im Café Zenja im Mehrgenerationenhaus vor. Abed fragt, ob er hier arbeiten darf und ist überglücklich über die Zusage. Seitdem hilft er Maureen immer Montag und Dienstag im Service. „Immer nur rumsitzen, das ist schlimm“, meint Abed. Im Café hat er was zu tun und bekommt gesellschaftliche Anerkennung. Bei den Gästen ist er sehr beliebt und „voll integriert“, so Maureen.
Auf meine Frage, was er am liebsten am Café Zenja mag, strahlt Abed über das ganze Gesicht: „Leonie. Maureen. Und die Gäste. Das sind alles meine Freunde“.
Leonie Seyfried, Leiterin des Café Zenja, sagt, sie habe auch viel von Abed gelernt: „An diesem schrecklichen Krieg kann man sehen, was die Menschen dennoch daraus machen. Wenn ich daran denke, ist es leichter für mich, mit Krisensituationen umzugehen. Da lerne ich. Ich möchte sowas wie Abed nicht erleben“.
Mit dem Beginn im Café Zenja wurde sein Leben besser, so Abed. Vor einem Monat hat er endlich eine kleine Wohnung in der Nähe gefunden und auch seine Anerkennung als Asylberechtigter erhalten.
Abed und sein Traum von der Zukunft
Eine Stunde sind wir jetzt zusammen gesessen, den Kaffee habe ich kaum angerührt. Eine letzte Frage habe ich noch. Ich möchte von Abed wissen, wie er sich seine Zukunft vorstellt. „Ich lerne Deutsch, dann mache ich Abitur und studiere. Und mein Traum ist es, in der Reisebranche zu arbeiten“. Er lacht herzlich und fügt dann noch hinzu: „Danke. Danke an alle, die mir geholfen haben“.